Carsten Görig / Kathrin Nord

Julian Assange

Der Mann, der die Welt verändert

Verlag scorpio, Berlin und München 2011

 

Gerade erschienen, höchst aufschlussreich! Und sogar lesbar für ältere Leute, die nicht im Internetz schwimmen. Jeder Ausdruck wird erklärt, wenn er zum ersten Mal vorkommt. Das macht das Lesen leicht. Auch wenn die Sprache manchmal etwas locker und knapp hereinkommt, aber verständlich bleibt sie immer. Man merkt übrigens, dass es sich um ein Autorenpaar handelt, das nicht unbedingt ein Ehepaar sein muss. Wiederholungen und auch gegensätzliche Aussagen kommen gelegentlich vor. Das gibt dem Buch sogar einen Reiz.

Ansonsten ist dieses Taschenbuch knallhart. Es erzählt von Zuständen in der Medienwelt, in der Informationstechnik und im politischen Showbusiness, die wir uns so nicht gedacht hatten.

Ein Mann verändert die Welt, sagt der Titel, und das ist nicht zu dick aufgetragen!

Julian Assange lebt noch, und bald wird er zum Engel oder Märtyrer der Freiheitskämpfer, oder Störenfried der Ordnung, oder Geistesgestörter abgestempelt. Die Frage, was er wirklich ist, werden wir wohl vorläufig erstmal verschieben müssen. Bis vor wenigen Monaten war er in der Presse fast unbekannt, wenig wurde über ihn als Person preisgegeben. Nun können wir ihn als Menschen kennenlernen, als Knaben, der viel herumreisen musste, als Asketiker, der seinem Ideal verpflichtet ist, mit einem tragbaren Rechner und ein paar Hemden und sonst nichts. Einem Idol, um es kurz zu sagen. Auf dem Titelbild erscheint er als außergewöhnlicher schöner junger Mann.

Dass sich eine gigantisch neue Welt im Internetz inzwischen etabliert hat, das kriegen die älteren Leute (wie ich) nicht mit. Diese virtuelle Welt entzieht sich vollkommen unserer Einsicht. Diese Welt dem einfachen und älteren Bürger nahezubringen, das ist das Hauptverdienst dieses Buches. Denn da geht Gigantisches vor sich: Kriege wie die im Irak oder Afghanistan werden inszeniert oder werden abgeblasen, je nachdem, was Julian Assange ins Internetz stellt. Ungezählte Opfer werden durch diese neue Technik verursacht oder verhütet. Vor allem verhütet durch eine neue Internetzseite: WikiLeaks, wie die Autoren behaupten. Ob sie damit richtig liegen, wird erst eine Beurteilung aus der Zukunft ergeben. Im Augenblick haben sie alle Chancen, dass sie recht haben.

So ein Superheld ist allerdings nicht unverwundbar, wie könnte es sein? Er wird doppelt angegriffen. Zunächst einmal über den Trick, der schon den amerikanischen Präsidenten Clinton auslöschte: die Sexschiene.

Dadurch erfährt man nebenbei eine (überflüssige) Menge über die Sexpraktiken in Schweden, denn Assange wird per europäischem Haftbefehl gefordert wegen Belästigung von zwei Schwedinnen. Dort solle man, heißt es, zuerst einen schriftlichen Vertrag über die erlaubten Stellungen und die Hygiene mit der Dame des Seitensprungs abschließen, sonst greift der Staatsanwalt ein. Also ähnlich, wie ich es aus Persien noch kenne, wo man das „Zeitehe“ nannte und schriftlich fixieren musste. Nur dass dort die Stellungen nicht spezifiziert wurden.

(Und die zweite Schiene ist, wie könnte es anders sein, eine untergeschobene antisemitische Äußerung. Aber das habe ich aus der heutigen Tageszeitung).

Es ist nicht nötig, Partei zu ergreifen für oder gegen Assange. Es handelt sich um ein Phänomen, das keinerlei Ethik erfordert. Verschwörungstheorien spielen keine Rolle, so sehr sie auch von den Autor/innen verachtet werden. Das Geschehen im Internetz ist ungeheuerlich und unbegreiflich. Der Einzelkämpfer mit Bazooka oder Kalaschnikow in einem Trockental im Hindukusch ist ein Roboter im Viehstall gegen diese Macht, die über die Milliarden der Erdbewohner bestimmt. Und zu der die etwas erfahreneren Leute – ich meine die Alten oder Greise – keinen Zugang haben.

Eine Aufklärung in diesem Sinne möglich gemacht zu haben, ist der unbestreitbare Wert dieses Buches.

(K. B. Merker) 


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