Norbert G. Pressburg
Good Bye Mohammed
Wie der Islam wirklich entstand
Verlag: Books on Demand; Auflage: 1., Auflage (22. Dezember 2009)
ISBN 978-3839192030

Dieses kleine und in sehr lockerer Sprache geschriebene Büchlein verfolgt eine gute Absicht: Es will die religiösen Legenden, die als islamische Geschichte sogar an unseren Schulen gelehrt werden, demaskieren und ihren unheilvollen Einfluss auf unsere Gesellschaft klarlegen. Bei aufgeschlossenen jungen Lesern könnte dieses Ziel sogar erreicht werden.
Die Mittel, die der Autor anwendet, sind allerdings, kritisch gesehen, mehr als unzulässig. Sie umfassen primitive Propaganda, unredliche Arbeitsweise und schlecht versteckte Unkenntnis der behandelten Thematik.
Dabei stellt sich die Frage, ob ein Schriftsteller, der kein Arabisch kann und einfache Grundbegriffe des Islam durcheinanderbringt, sich an ein für ihn so schwieriges Thema wagen sollte. Die Fehler, Missverständnisse, Verdrehungen häufen sich derart, dass das Lesen zur Pein wird. Oder zum Ulk, wenn er uns die richtige Aussprache arabischer Wörter beibringen will: „hadith (Betonung auf der ersten Silbe, -th wie s gesprochen).“ Für Unkundige: Hadith, Schlüsselbegriff für die islamische Überlieferung, betont sich auf der zweiten Silbe und das th spricht sie wie im Englischen.
Lohnt es sich dann überhaupt, dieses Traktat zu besprechen, die Fehler aufzuzeigen, die Unehrlichkeit anzukreiden?
Ich will es stichprobenartig tun, um zu warnen vor billigen Machwerken dieser Art.
S. 11, Zeile 1 sagt der Autor, die klassische Islamforschung habe es unterlassen, das vorhandene Material auf seine Echtheit zu prüfen, „von muslimischen Kommentatoren durfte man es erst gar nicht erwarten.“ Das ist falsch. Man kann natürlich behaupten, dass die Prüfungen den heutigen Forderungen wissenschaftlicher Arbeit nicht mehr standhalten, aber das trifft schließlich auf die gesamte Historikerarbeit zu, wie die geschichtskritische Forschung gezeigt hat. Es ist keine Eigenart der islamischen Wissenschaftler. Im Gegenteil, wenn der Autor wüsste, mit welch riesigem Aufwand an Nachprüfung und scharfem Verstand die frühen Islamtheologen den Korantext und vor allem die Hadith-Sammlungen untersucht und schließlich etabliert haben, dann würde er diesen Vorwurf nicht erheben. Er würde sich vor dem generationenlang geleisteten immensen Arbeitsaufwand verbeugen.
Im selben Zusammenhang wirft er der Orientalistik vor, dass sie „spätere Bearbeitungen als das Original betrachtete.“ Dies ist das Problem, das für praktisch alle alten religiösen Texte vorliegt: Die Bearbeitungen, die uns als früheste Fassungen greifbar sind, haben die Funktion von „Originalen“ für den Forscher. Dass sie oft um Jahrhunderte jünger sind als die vermuteten Vorlagen, ist der Normalzustand in der Historikerarbeit.
Insofern kritisiert Pressburg nicht spezifisch die islamische, sondern allgemein die Geschichtsschreibung, was er infolge der neueren Entwicklung der geschichtskritischen Forschung auch guten Mutes tun kann. Er nennt seine Lehrer allerdings nicht.
Die von Pressburg tatsächlich angegebene Literatur ist leider arg begrenzt, sie beschränkt sich praktisch auf einen einzigen Autor, nämlich auf einen Professor an einer deutschen Hochschule namens Luxenberg (vermutlich Pseudonym), dessen neue These das ganze Büchlein trägt. Im zweiseitigen Literaturverzeichnis am Schluss kommen zwar erlauchte Namen vor, Günter Lüling wird mit drei Titeln genannt, aber diese scheint Preßburg nicht gelesen zu haben. Er erwähnt Lüling im Text ein einziges Mal, wobei er den Gedanken dem Titel einer Schrift von Lüling entnommen haben dürfte. Dabei hätte gerade das Lebenswerk von Lüling einen besonders hohen Stellenwert, ja die Hauptgrundlage des Büchleins abgeben müssen.
Hierzu ein Beispiel: Auf den Seiten 34 bis 37 wird die Koran-Sure 97 als ursprüngliches Weihnachtslied interpretiert – ist das nicht eine der großen Leistungen von Lüling? Ich schaue in seinem „Urkoran“ (2. Aufl., 1993) nach, da steht es auf S. 116 f! Pressburg zitiert dies jedoch nicht nach Lüling, sondern er folgt Luxenberg (2007). Plagiat? Schwer zu sagen, da ich Luxenbergs Buch noch nicht kenne.
Andererseits kommt Morozov im Text kurz vor (S. 148), aber ohne Literaturnachweis, und das muss befremden, denn russische Sprach- und Literaturkenntnisse stehen Pressburg wahrscheinlich nicht zur Verfügung, was den Schluss zulässt, dass er Morozov aus der Szene der Chronologiekritiker kennt, speziell wohl über Eugen Gabowitsch, während andererseits weder dieser noch sonst jemand aus dieser Szene genannt wird, obgleich zahlreiche „Ergebnisse“ des Autors denen der chronologiekritischen Forschung recht gut entsprechen. Generell bezieht sich der Autor gern auf die „moderne Forschung“ (S. 33) oder allgemeine Erkenntnisse und bleibt den Nachweis schuldig, wen er damit gemeint haben könnte. Oder noch einfacher (S. 40): „Etwa 25 % des (Koran) Textes sind, wie wir wissen, vollkommen fehlübersetzt“ ... Wer weiß das denn?
Auch klassische Texte hat Pressburg nicht gelesen, sondern nur aufgeführt und falsch wiedergegeben, wie z. B. Ibn Tufails weltberühmtes Buch Hayy ibn Yaqzan.
Zur arabischen Sprache (S. 15): Zu jeder Sprache gehören Fremdwörter, daran kann die Beurteilung des Koran nicht scheitern, und die angeführten Wörter sind Eigennamen und Lehnwörter, ohne die keine Sprache auskommt. Wenn Pressburg gar meint (S. 16), die Kreuzigung Jesu sei „eine der ganz wenigen religiösen Episoden überhaupt, die historisch eindeutig belegt ist“, dann möchte man ihm das kritische Herangehen, das er beim arabischen Propheten anwendet, auch mal beim Gottessohn der Christen anraten. Oder ihm zumindest die Lektüre der kritischen Theologen des 19. und 20. Jahrhunderts empfehlen.
Kopfschüttelnd möchte man das Büchlein weglegen, wenn man auf der beigegebenen Abbildung einer griechischen Inschrift (S. 53) schwarz auf weiß lesen kann, dass ABDALLA MAAVIA als AMIRA ALMOMENINA tituliert wird, also den lange Zeit gebräuchlichen Herrschertitel der Moslems führt (Amir el Mu’menin = Herrscher der Gläubigen), und dann von Pressburg belehrt wird, dass die Griechen das nicht so gemeint haben, sondern mit „muminin“ nicht die Gläubigen, sondern „Schutzgewährer“ bezeichneten. Egal, welche sprachlichen Theorien man da verbreiten könnte, der in der Inschrift genannte Titel ist dennoch eindeutig der eines islamischen Herrschers. Aus welcher Zeit die Inschrift stammen könnte, erwägt der Autor leider nicht. Zu den Jahreszahlen hat er nämlich gar kein Verhältnis. S. 120: „Das Jahr 622 wurde so zur wichtigsten Jahreszahl des frühen Arabiens.“ Datierten die Araber damals schon in Inkarnationsjahren? Usw., es wird lächerlich, wenn man in diesem Sinne fortfährt, das Buch zu kritisieren.
Übergehen muss ich daher die mehrfache Verwechslung von diakritischen Zeichen (bei Konsonanten) mit Vokalzeichen (S. 32, 36 u. ö.), die Verwechslung von Suren und Versen (S. 65), sowie die ungeprüfte Verwendung von Vorlagen oder die unerklärten Neuübersetzungen arabischer Wörter, denn vor allem letztere Übung würde auf eine Kritik an Luxenbergs Thesen hinauslaufen (Paradies, Huri = Weintrauben usw.) oder gar an Ohligs katholischen Interpretationen (soweit ich hörte, kann dieser Theologe ebenfalls kein Arabisch), und das ist mir mangels Lektüre ihrer Schriften nicht möglich.
Nun möchte ich nur noch einige religiöse Fehler ankreiden: S. 46 setzt der Prophet mit 80 Getreuen übers Meer nach Afrika über, um beim christlichen Negus in Abessinien Zuflucht zu suchen. Davon hatten wir bisher noch nicht gehört. Laut Legende fuhren die 80 ohne ihren Führer.
S. 101: Thabit wird als Mandäer bezeichnet, während er in den arabischen Quellen Sabier ist; zwar wurden die Sabäer (oder Sabier) früher den Mandäern gleichgesetzt, das ist aber heute nicht mehr richtig. Ihre Wohngebiete liegen weit auseinander.
Und gab es damals wirklich Buddhisten in Baghdad? Nicht einmal Katholiken ...
Das Kapitel über die arabischen Aris­toteliker (S. 97-116) liest sich eher wie aus einem Lexikon abgeschrieben und fügt sich schwer in die These des Autors ein. Widersprüchlich wird es im nächsten Kapitel, wo (S. 129) die typisch islamischen Schlüsselwörter als allgemeinarabische Ausdrücke verbucht werden, während Pressburg vorher ausführlich begründet hatte, dass Arabisch erst eine durch den Islam entstandene, von den Theologen geschaffene Sprache sei.
Erst im letzten Kapitel „Wer hat uns das angetan?“ wird der Bezug zu unserer Zeit hergestellt, teils mit erstaunlicher Sachkenntnis der politischen Situation, teils ohne diese: Die „salafistische“ Gruppe, die 1979 die Moschee in Mekka stürmte und wochenlang besetzt hielt, war nicht von politischen Ideen beflügelt, also nicht salafistisch, sondern schlicht von einem Mystiker geführt, der sich als Mahdi ausrufen ließ.
Zum Schluss wird der (angeblich auf Mahmud Taha zurückgehende) Gedanke, die medinensischen Suren gegenüber den mekkanischen auf den zweiten Platz zu verweisen, als mögliche Lösung vorgeschlagen, was aber angesichts der völligen Ungewissheit über diese Einteilung und der meist gehaltlosen Aussagen der mekkanischen Suren nicht praktikabel sein dürfte.
So erscheint mir dieses Büchlein trotz der guten Absicht verlorene Mühe und teilweise Irreführung.
(Uwe Topper)

Nachtrag: Habe eben eine Information aus sicherer Quelle erhalten: Ein hoher Beamter der Regierung von Thüringen habe 500 Exemplare dieses Büchleins an Schulen usw. verschenkt, nicht aus eigener Tasche, sondern aus der Staatskasse bezahlt, und sei nun in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Das Machwerk „Tschüss Mohammed“ bekommt politischen Status!


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