Gert Meier, Hermann Zschweigert, Uwe Topper

Das Geheimnis des Elsaß – was geschah damals am Odilienberg?

Grabert-Verlag, Tübingen 2003

Meier und Zschweigert haben mit diesem dritten Band ihrer Trilogie, zu der diesmal auch Uwe Topper einen wesentlichen Beitrag leisten konnte, die vergessene, auch heute noch ignorierte prähistorische Hochkultur Nordeuropas erneut ins Licht des Bewusstseins gerückt.

Wir erfahren viel über die unglaublichen geodätischen, astronomischen und architektonischen Fähigkeiten unserer geheimnisvollen Vorfahren, die einst in einer auch heute noch ungemein beeindruckenden Weise auf dem Odilienberg im Elsaß gewirkt haben. Unübersehbar die gewaltige Mauer aus großen Steinblöcken, die auf 10 km Länge die Kuppen des Berges umspannt. Deutsche Touristen reisen gern nach Griechenland oder Italien, um solch eine Zyklopenmauer zu bestaunen. Doch wer kennt dieses überwältigende Zeugnis unserer eigenen Hochkultur?

Es ist eine Schande für unsere Kulturnation, wie wenig darüber geforscht wird, wie stattdessen deutsche Steuergelder in fernen Kontinenten verschwinden, um den Ruhm fremder Kulturen zu mehren. Das Ansehen der eigenen Nation bleibt dabei auf der Strecke.

Schon lange hätte der Wald innerhalb der Mauern gerodet werden müssen, um effektive Feldforschung der Archäologen zu ermöglichen. Doch heute, da die ganze Region zu Frankreich gehört, ist diese Priorität noch weiter ins Hintertreffen geraten.

So bleibt den Autoren auch nur die wenig erkleckliche Arbeit, mittels Primär- und Sekundärliteratur die vermutlichen Verhältnisse auf dem Festungsberg zu eruieren. Vieles bleibt dabei Spekulation, manches hat große Plausibilität. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung um die historische bzw. prähistorische Bedeutung des Ortes allein genügt, um den Glauben an die Geschichtsschreibung gründlich in Frage zu stellen. Doch leider schlägt das im Buch kaum durch. Hier hat ein radikaler Chronologiekritiker, Uwe Topper, ein Gemeinschaftswerk mit chronologisch konventionell Denkenden verfasst und dabei eigentlich alles unterlassen, um die wahren zeitlichen Hintergründe zu erfassen. Entschuldbar, denn der Schwerpunkt lag eindeutig in einer Gesamtschau aller Aspekte, die dieses Mysterium der Vorzeit betreffen.

Schaut man sich die archäologischen Fakten der Mauer und ihre chronologische Bewertung an, stehen einem die Haare zu Berge. Da werden die Tore als „römisch“ bezeichnet, die Mauer aufgrund von C-14-Messungen jedoch in die Zeit von 640 bis 740, also in die Völkerwanderungszeit datiert. Die schwalbenschwanzförmigen Verbindungsstücke der Steinblöcke, hier aus Holz, das auf Kohlenstoffzerfall untersucht und datiert werden konnte, jedoch kommen schon im alten Ägypten vor. In Lischt, dem It-towe Amenemhets, wurden im dortigen Königsfriedhof dieselben hölzernen Klammern gefunden und in die 12. Dynastie, also -1991bis -1782 datiert (Jéquier, G. „Manuel d´Árchéologie, Les elements de l´Architecture“, Paris 1924). Interessant, dass bei den dortigen Pyramiden angeblich geplünderte Reliefs der Chephren-Pyramide wieder eingebaut worden sein sollen.

Illig nämlich datiert die ganze Geschichte Ägyptens neu („Wann lebten die Pharaonen?“, Scarabäus 1990). Bei ihm sind die Cheops- und Chephren-Pyramide der 4. Dynastie zeitgleich oder sogar später als die kleineren Pyramiden der 12. Dynastie entstanden. Mittels architektonischer und technologiegeschichtlicher Vergleiche mit Griechenland und Mesopotamien (Megalithbau mit Kraggewölbe, Eisenwerkzeug, pythagoräische Flächenberechnungen, etc.) datiert er die 4., 5., 6., 11., 12., frühe 18. und frühe 26. Dynastie in das späte -7. und beginnende -6. Jh.

Aus Olympia, Delphi, Samos, Lesbos usw. sind viele schwalbenschwanzförmige Holzklammern bekannt, hier aber aus dem -6. und -5. Jh. unserer mitteleuropäischen Chronologie entsprechend kommen wir damit in die keltische Eisenzeit.

Bleiben noch die römischen Tore und die völkerwanderungszeitliche C-14-Datierung. Römer und Kelten – in Frankreich unterscheidet man sie fast schon gar nicht. Diese Kultur wird allgemein als gallo-romanisch bezeichnet. Womit wir schon den Zeitsprung zur Romanik geschafft haben. Die Architektur der Römer und die Architektur der Romanik sind prinzipiell gleich, lediglich durch die Art des Sakralbaus unterscheidbar, hier heidnische Tempel, da (früh-) christliche Kirchen. Ja, christliche Kirchen entstanden aus römischen Bauten, z. B. der Dom von Speyer aus einer römischen Markthalle.

Damit ist sogar die C-14-Datierung als sehr plausibel und realistisch einzuschätzen. Die Zyklopenmauer auf dem Odilienberg kann sehr wohl zwischen 640 und 740 unserer Zeit entstanden sein, allerdings in einem keltisch-heidnischen Kontext, in einer Kulturstufe, die man gemeinhin als Megalithikum und als nordeuropäische Hochkultur bezeichnet.

Ich befasse mich mit Cairns, Steingrabhügeln, die allgemein der Megalithkultur zugerechnet werden, nach der herrschenden Chronologie aber schon um -2200 oder -1700 zu Ende gegangen sein soll. Bei meinen Recherchen jedoch stellte ich erstaunt fest, dass solche Steingrabhügel mit kleinen Steinkisten und sogar richtigen Dolmen bei uns noch von Alemannen und Franken, also bis in das 9. und 10. Jh. gebaut wurden und zu Tausenden im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb zu finden sind.

Die Megalithzeit dauerte also bis weit in das Mittelalter hinein. Wir stehen vor einem Abgrund an Geschichtsfälschung, den Topper in zahlreichen Werken beschrieben hat. Die christliche Geschichte des Odilienbergs gehört ebenso dazu. Topper beleuchtet diese Legenden um die heilige Odilie, die er als alter ego einer heidnischen Heil- und Muttergottheit identifiziert, und rückt die zu frühen Datierungen weit an das 11. Jh., an die historisch plausible Zeit Barbarossas heran, den man als letzten galloromanischen Cäsar erkennen muss. Ein angeblich christlicher Kaiser, der laut Sage noch nach heidnischer Sitte in einem Berg (Kyffhäuser) seinen Sitz in der Anderswelt hat.

Meine Forschungen bestätigen weitgehend das Wesen der Odilie. Was im Buch nicht angesprochen wird, das Symbol dieser Heiligen, das Buch mit den zwei Augen, ist eine uralte Ikone, die als Ritzzeichnung schon vielfach auf Dolmensteinen des Neolithikums erscheint und allgemein als Darstellung der Dolmengöttin interpretiert wird. Jahrtausende verschmelzen zu wenigen Jahrhunderten.

Wenn man aus aktuellen Nachrichten (SPIEGEL 34/2004) erfährt, wie man am Frankfurter Institut für Humangenetik und Anthropologie mit C-14-Datierungen umgegangen ist: aus einem 250 Jahre alten Schädel wurde ein 21000 Jahre alter Mensch, aus einem Menschen des Neolithikums ein Neandertaler der Altsteinzeit vor 32000 Jahren, dann verschwindet das Vertrauen in wissenschaftliche Datierungsmethoden restlos.

Ein wichtiges Detail der großen Anlage konnte im Buch leider auch nicht behandelt werden, da diese brandaktuellen Erkenntnisse erst im Zusammenhang mit der Externstein- bzw. Bärensteinforschung des Jahres 2004 gewonnen werden konnten. Es existieren auf dem Odilienberg mindestens drei große sprungschanzenförmige Felskanzeln, die von der Ringmauer aus betreten werden können und weit in den steilen Berghang hineinragen. Der künstliche Charakter dieser Felsausarbeitungen ist eindeutig. Die Funktion bleibt vorerst der Vermutung überlassen, aber der alte lateinische Name des Ortes „Altitona“, die Hochtönende bzw. die Donnernde, könnte ein Hinweis auf zeitgenössisches Wissen der Römer sein, die bei dem Kult um den Berg, seine Rituale und Zeremonien noch selbst dabei waren. Vermutlich wurden auf den Felskanzeln Luren oder Alphörner geblasen, die weit über die Berge und ins Rheintal hinausschallten und die Völker der Umgebung zum Festtag einluden, welche alsbald in langen Prozessionen und Wallfahrten am Berg anlangten. Eine solche Felskanzel, annähernd 20 m hoch, entspringt auch der Felswand am Bärenstein bei Horn-Bad Meinberg. Der Bärenstein ist ein ~30 m hohes, bis zu 440 m langes Gebilde aus Sandsteinblöcken, das fünf große Bauwerksstufen besitzt und sich wohl als der weltweit größte Cairn (gestufte Steingrabhügel) des Megalithikums herausstellen wird.

Ein Großteil des Buches befasst sich mit diesen heidnischen Riten und Kulten, die so grausam, wie sie von Frazier und Ranke-Graves geschildert werden, tatsächlich nicht gewesen sein können. Das periodische Wirken und die Opferung altzeitlicher Könige scheint in Gänze die Personifikation astronomischer Vorgänge, der Sonnen-, Mond- und Venuszyklen gewesen zu sein.

Den größten Teil nimmt die Kultgeographie ein, die alte Wissenschaft der Erdvermessung und den daraus resultierenden Kontinent-durchquerenden Linien und Sternstraßen, auf denen alte Kultstätten und archäoastronomische Observatorien zu finden oder zu vermuten sind, u. a. auch der Odilienberg. Es ist der Verdienst von Meier und Zschweigert, die realen wissenschaftlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im Zusammenhang mit dieser ersten Erdvermessung der Urzeit rekonstruiert zu haben, insbesondere, da das Thema „Geomantie“ lange Zeit von Autoren wie Jens Möller und Blanche Merz dominiert wurde, die die esoterischen Aspekte von Kraftlinien und Kraftorten in den Vordergrund stellten, eine Spekulation, gegen die sich zuletzt auch Nigel Pennick, die britische Koryphäe im Bereich Leyline-Forschung, wandte. Die rekonstruierten Linien und Liniennetze machen offenbar, dass auch schon im alten Europa dasselbe geodätischen Wissen über den genauen Erdumfang und der Breiten- und Längengrade bekannt war, wie damals im Pharaonenreich des Ptolemäus, Wissen, das in der Neuzeit erst wieder mühsam erarbeitet werden musste und das ganze Mittelalter hindurch verschwunden blieb.

Es ist ein chronologisches und kulturhistorisches Rätsel, wie eine so hoch entwickelte Wissenschaft entweder völlig vergessen oder gründlich unterdrückt werden konnte. Topper geht auf die Problematik ein und sieht die Ursache in verschiedenen Kataklysmen, die die Erde und die ganze Menschheit (wortwörtlich) betrafen und zu großen Teilen eliminierten. Die beste Schilderung der Ereignisse wurde uns mit dem Sintflutbericht des Alten Testaments überliefert. Die detaillierten Ereignisse finden sich in der Apokalypse wieder, allerdings in die drohende Zukunft projiziert. Erst die richtige Datierung dieser Weltkatastrophe macht uns den Untergang der heidnischen Welt und die wahre Entstehung des Christentums nachvollziehbar, ein Zeitpunkt, der real gesehen im heute als Mittelalter bezeichneten Zeitraum, wahrscheinlich am Ende des christlich ideologisierten „Heiligen“ Römischen Reiches Deutscher Nation (des keltorömischen Reiches), um 1270/1350 zu suchen ist.

Wir haben also eine genauso präzise und umfassende Überlieferung unserer Vorzeit wie die anderen Hochkulturen Ägypten und Mesopotamien, Griechenland und Italien, allerdings völlig in ein christliches Gewand gekleidet, dasselbe Gewand, mit dem eine uralte Göttin zur mittelalterlichen Heiligen ausstaffiert wurde. Die Lektüre des verdienstvollen Gemeinschaftswerks bringt uns diese Periode im Übergang vom Heiden- zum Christentum nahe und lässt uns gewahr werden: Vor Gott ist Zeit und Ewigkeit wie ein Tag.

(K. Walter Haug)

(SY 6/2004)


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